
In diesem Artikel lesen Sie den Ansatz einer ganzheitlichen Sicht auf die Tätigkeit im Contact Center, die Arbeitsanforderung, die Bedingungen und Lösungsansätze für den Bereich Training und Coaching.
Man kann nicht nicht kommunizieren (Paul Watzlawick) ist heute eine Binsenweisheit. Aber was bedeutet diese Erkenntnis für uns konkret?
Wir kommunizieren von früh bis spät und wir kommunizieren unsere Befindlichkeit. Ob wir wollen oder nicht. Unbewusst. Das heißt: Je besser wir für uns sorgen, umso anziehender sind wir für andere. Je gesünder wir aussehen und klingen, umso erfolgreicher werden wir eingeschätzt. Man unterstellt uns, das Rezept zu kennen und neigt dazu, uns nahezu jedes Produkt/ jede Dienstleistung abzukaufen. Die Stimme, oder besser: der bewusste Stimmeinsatz ist der Schlüssel zu professioneller Außenwirkung, Gesundheitsvorsorge und überzeugender Kommunikation zugleich.
Am Telefon, wo nur die Stimme zählt, ist ein Stimmbewusstsein daher unerlässlich. Mitarbeitende am Telefon müssen in der Lage sein, ihre eigene Befindlichkeit wahrzunehmen und Interventionen kennen, um sich selbst zu stimmen. Das heißt selbstbestimmt, eigenverantwortlich die Stimmung tunen. Das geht zum einen über Körperbewusstsein und entsprechende Übungen für Haltung, Atmung und Stimmeinsatz. Das geht zum Anderen über das Mindset, also mentale Übungen zur inneren Einstellung.
Wir kommunizieren Gesundheit
Beim Volkswagen-Konzern hat sich bei der Analyse der Krankenstände, Überstunden, Unfallzahlen, Personalschlüssel, Vertretungsreglungen, Fehlerquoten und Wartezeiten für Kunden gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Führungskraft und dem Krankenstand gibt: Bei einem Wechsel der Abteilung nahmen die Führungskräfte "ihren" Krankenstand sozusagen mit. Die Zeit der Ausfalltage passte sich den Vorgesetzten an: Je nach dem fehlten die Mitarbeitenden seltener oder häufiger.
Einschneidende Sparmaßnahmen können auf Kosten der Gesundheit der Belegschaft gehen und so mittelfristig Qualitätsverlust und wiederum Kosten erzeugen. Das sollten Verantwortliche im Blick haben.
Hat ein Unternehmen mit einem hohen Anspruch an Qualität und Nachhaltigkeit angemessen viel in seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert, will es zu Recht auch davon profitieren. Und das wird es auch.
Ein ganzheitliches Stimmtraining-Konzept, welches sich durch verschiedene Unternehmensbereiche erstreckt, schafft die Grundlagen für eine gesunde und geschäftlich erfolgreiche Kommunikation - intern wie extern. Hierdurch wird Bewusstsein für Selbstwahrnehmung, -verantwortung und -organisation geschaffen. Physiologisch richtiger sowie psychologisch wirkungsvoller Stimmeinsatz wird vermittelt. Verkaufen funktioniert so auf Grundlage einer vertrauensvollen Beziehung und nicht durch billige Tricks und Anreize.
Selbstverantwortung
Das ist ein großes Thema. Angestellte sind keine Unternehmer, also nicht selbständig. Wie das Wort bereits sagt, stehen sie nicht selbst sondern "hinten an gestellt" oder "nachgeordnet". Diese Einstellung, diese Haltung machte früher in gewisser Hinsicht Sinn, wenn es darum ging, wiederkehrende Arbeiten in vorgeschriebener Art und Weise mechanistisch auszuführen. Als Rädchen in einem großen Getriebe. Diese Arbeiten werden heute zunehmend von Maschinen und/ oder Menschen in Billiglohn-Ländern ausgeführt. Was hierzulande übrig bleibt, ist die vornehme Aufgabe, Beziehungen herzustellen und zu pflegen. Das Beginnt beim Chef bis zu den Mitarbeitenden ganz unten, damit diese entsprechend das Unternehmen nach außen kommunizieren. Das ist eine große Verantwortung, die man nicht einfach nach Vorschrift machen kann, sondern aus intrinsischer Motivation.
Selbstorganisation
Wie gehe ich mit meinen Ressourcen um, wie organisiere ich meinen Energiehaushalt? Selbstorganisation ist mehr, als Arbeitsabläufe zu optimieren. Selbstorganisation ist das Management der eigenen Kräfte, der Umgang mit Stärken und Schwächen, mit der Tagesform, Stimmungsschwankungen - und eine höchst individuelle Angelegenheit.
Voice Impact
Der stimmliche Eindruck ist in der Tat genau das, was der (erste) Eindruck beim Anblick eines Menschen. "Kleider machen Leute", das ist uns klar. Dann spielen Haltung und Bewegung eine immense Rolle. "The way you walk, the way you talk" ist ein geflügelter Satz in vielen Songtexten. Da sind wir dann also bei der Stimme, der Art und Weise des Sprechens. Ist sie reizend, bezaubernd, einnehmend, Vertrauen erweckend - oder dumm, dreist, blöd, banal, unmotiviert, langweilig? Was transportiert die Stimme, wenn das Sehen ausscheidet? Ist Firmenchefs die Bedeutung bewusst und Mitarbeitenden die Möglichkeit der gezielten Einflussnahme?
Stimmgesundheit = Stimme 4.0
An der gesunden Stimme führt kein Weg vorbei. Ansonsten: Berufsuntauglich. Was aber ist eine gesunde Stimme?
Das ist ein komplexes Thema, repräsentiert doch unsere Stimme unser Innenleben, also unsere Befindlichkeit und Gesundheit insgesamt. Sind wir tief geschockt, traumatisiert, depressiv oder vorübergehend verletzt, traurig, wütend - die Schwingungen übertragen sich unterschwellig, also ohne dass es uns selbst bewusst ist. Über längere Zeit kann eine Stimme leiden und schließlich krankhafte Symptome aufweisen, wenn wir uns der Psyche nicht zuwenden. Und die gesundheitlichen Herausforderungen im Contact Center sind neben Bewegungsmangel primär psychischer Natur. Stimme 4.0 heißt, der durch industrielle und technologische Entwicklung sich verändernden Anforderungen an mündliche Kommunikation gerecht zu werden.
BGM oder Privatsache?
Da drängt sich leicht die Frage auf: Ist Gesundheit Privatsache oder Unternehmenspflicht? Ich bin der Meinung, es geht nur Hand in Hand. Denn es gibt ja, wie in jeder Beziehung, Wechselwirkungen. Wenn ich als Unternehmer Mitarbeitende nicht verschleißen will, sondern eine wertschätzende Berufsbeziehung auf lange Sicht erzielen will, so muss mir auch das Wohlergehen der Mitmenschen am Herzen liegen, selbst dann, wenn die Arbeitsleistung phasenweise aufgrund privater Umstände leidet. Genauso ist es ja auch möglich, dass eine private Beziehung oder Familie unter einer Phase der betrieblichen Überbelastung leidet. Und sie wird es bei angemessener Behandlung auch mittragen.
Sinn - die Freude am Tun
Die Sinn-Frage ist bedeutsam für uns alle und zunehmend maßgeblich für die Berufswahl und/ oder die Qualität des Arbeitsplatzes. Wenn wir den Hauptteil unseres Lebens im Arbeitsumfeld verbringen und nicht mehr um´s nackte Überleben kämpfen müssen, wollen wir uns hier zumindest wie ein Mensch fühlen und nicht wie eine Maschine oder ein Rädchen einer solchen. Auch die Befriedigung handwerklichen Tuns entfällt in unserem Beruf. Es gibt kein befriedigendes Werk, kein Teil, welches man anfassen und vorzeigen kann. Es geht allein um Beziehungen, die tragfähig sein sollen, um Produkte, die an anderen Stellen erschaffen werden, zu verkaufen und deren Preise zu rechtfertigen. Daher sollte jeder Kontakt auch für die Agents befriedigend sein und Beziehungen möglichst langfristig, persönlich und nicht anonym.
Produktversprechen einlösen
Viele Menschen gehen zum Arzt, resp. Ärztin, weil es dank unseres Gesundheitssystems gefühlt nichts kostet. Hier suchen sie häufig ein offenes Ohr, um sich auszulassen, zu klagen, zu jammern, Trost, Rat und ein Mittelchen zu bekommen. Auch, und gerade, wenn sie nicht "richtig" krank sind.
Wenn eine Leistung als innovativ, belastbar, zuverlässig verkauft wird, will ich das als Kunde auch spüren im persönlichen Gespräch mit dem Anbieter. Wenn Produkte angepriesen werden, beispielsweise als "kleine Auszeit", als Belohnung für das Durchhalten, das Alleinsein, als Ausgleich für Einsamkeit, dann müssen alle Kontakte zum Hersteller dieses Versprechen auch einlösen, um Kunden nicht zu enttäuschen und zu verlieren!
3 Stimmtipps
- Vor der Annahme oder dem Initiieren eines Calls sich vom Brustbein her nach vorne oben aufrichten und ein erfreutes Hmmm summen. Das gibt der Stimme Stabilität, Stimmung und fördert den Brustton der Überzeugung.
- Jedes zweite Gespräch im Stehen beginnen und ggf. auch fortsetzen. So kommt über den Tag verteilt einiges an Bewegung ins Spiel.
- Viel Wasser trinken. Am besten lauwarm und ohne Kohlensäure. Das ist nicht nur gesund für die Stimme und die Wasserversorgung des Körpers, sondern gibt auch wichtige Bewegungsimpulse, indem wir häufiger zur Toilette gehen müssen.
3 Tipps für eine lebendige Kommunikation
- Beim Telefonieren, besonders zu Beginn des Gesprächs, und dann möglichst häufig die Augen schließen und sich ganz auf die Stimme des Gesprächspartners einhören.
- Nach jedem Satz eine Micro-Pause® machen. Diese sichert den Kontakt zum Gesprächspartner, sorgt für Inspiration und die wichtige Entspannung in der Stimm- und Atemmuskulatur.
- Stellen Sie sich eine realistische Gesprächssituation vor: Sie sitzen oder stehen sich offen gegenüber, gucken einem Menschen in die Augen und gestikulieren dabei ganz natürlich.
3 Anregungen für die Geschäftsführung
- Arbeitsplätze und -abläufe durch Kommunikations-Experten unter folgenden Gesichtspunkten analysieren lassen: Raumklima, Akustik, Telefontechnik, Monitore, Tische, Stühle, Akustikwände, Kabinen, Ausweichmöglichkeiten, Kollaborationsgelegenheiten, Call-Verteiler, Taktung, Atmosphäre, Arbeitsbelastung, Verhalten und Haltung bei der Arbeit.
- Hieraus Trainings- und Coaching-Maßnahmen ableiten.
- Die Arbeitsumgebung entsprechend optimieren.
P.S.: Erleben Sie den Autor Anno Lauten live zu diesem Thema am 3. November 2016 bei der 10. Veranstaltung "Erfolgreiches Contactcenter"
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