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Ein Dienstleister ist kein Diener

1. Juli 2015 - 9:04

EIN DIENSTLEISTER IST KEIN DIENER SEINER HERREN - KEIN BEDIENSTETER, DER WILLIG JEDEN WUNSCH ABLIEST

Ein altes Missverständnis: Karl Marx erkennt als erster Wirtschaftswissenschaftler ein Missverständnis, eine falsche Erwartungshaltung, welche bis heute immer wieder auftritt. Ein Dienstleister ist kein Diener seiner Herren. Kein Bediensteter, der willig jeden Wunsch abliest. Marx: „Für den Produzenten dieser Dienste sind diese Dienstleistungen Waren. Sie haben einen bestimmten Gebrauchswert und einen bestimmten Tauschwert. Ein Bediensteter stellt keine Ware oder Produkt her.“ Ein Dienstleister stellt also „Waren“ mit einem definierten Wert her. Ein Diener erweist jemandem einen Dienst, eine Gefälligkeit, einen Wohlgefallen und erhält dafür einen Lohn. Ein Dienstleister bedient keinen Auftraggeber. Im Angelsächsischen heißt ein Dienstleister schlicht „vendor“, abgeleitet vom lateinischen „vendere“ (verkaufen, absetzen). So schützt die englische Sprache vor der Verwechslung „Verkäufer“ und „Diener“ (servant).

Wesentliche Gründe für Outsourcing

Die Erkenntnis, dass Arbeitsteilung allen Beteiligten ein „Mehr“ bringt, gehört wohl zu den ältesten der Menschheit. Person A kümmert sich um die Herstellung des täglichen Brots, Person B versorgt uns mit Gemüse und Person C baut das Haus, in dem wir wohnen usw. Jeder spezialisiert sich auf ein Gebiet. Vielleicht handelt es sich um den entscheidenden Faktor für unseren Fortschritt. Gemäß Markttheorie sollte ein Unternehmen alle Ak-tivitäten, die nicht zum Kerngeschäft gehören und die definiert sowie beschrieben werden können, fremdvergeben. Genau dann kann das Unternehmen fortschrittlich agieren. Anbieter, die genau die oben erwähnten Nicht-Kerngeschäftsaufgaben des einen als eigenen Geschäftszweck verfolgen, sollten in der Theorie die Dinge effizienter, beherrschbarer und besser erledigen. Also: Kostenreduktion – Qualitätsverbesserung – Risikoverlagerung.

You get what you pay for

Risikoverlagerung, Qualitätsverbesserung und Kostenreduktion lassen sich allerdings nicht gleichwertig in allen drei Dimensionen erzielen. Je nachdem, wie die Vergütung einer Dienstleistung erfolgt, fällt der Schwerpunkt des Ergebnisses aus. Eine Vergütung nach Zeit bedeutet, dass der Auftraggeber den Ressourceneinsatz (Arbeitszeit und Qualifikation) steuert. Der Auftraggeber trägt das Risiko einer Fehlplanung, einer ineffizienten Auslastung, einer ungenügenden Erfüllung usw. Dafür profitiert der Auftraggeber von dem tendenziell günstigsten Preis. Bei einem Preis pro Ergebnis oder Vorgang übernimmt der Auftragnehmer einen Teil des Risikos und ein Stück weit die Verantwortung für die Qualität des Resultats. Im Falle einer Pauschalvergütung, zum Beispiel je Kunde, verlagern Auftraggeber viele Risiken an den Dienstleister und bezahlen dafür eine Risikoprämie. Der Auftragnehmer trägt die größte Verantwortung für die Güte der Leistungs-
erbringung. Das Vergütungsmodell determiniert somit den eigenen Steuerungsaufwand und wer für die Qualität der Dienstleistungserbringung verantwortlich zeichnet.

Callcenter Dienstleister: Wie vergüten Sie aktuell  (c) by eisq

Vergütungsmodelle – Vergleich mit einem Handwerker

Zeitvergütung = engmaschige Steuerung: Ein Dienstleister sollte bei einer Vergütung je geleisteter Arbeitszeit kein Interesse an einer engen Steuerung durch den Auftraggeber haben. Das raubt Verdienstmöglichkeiten!
Wer zu Hause einen Handwerker beauftragt, weiß, wie lange die Schlangen im Baumarkt, Frühstückspausen oder schnelle Erledigungen plötzlich ausfallen können. Derjenige weiß aber auch, wenn er beispielsweise seinen Fliesenleger gut „führt“, bewirtet und ihm Feedback gibt, erhält er die genauesten Fugen weit und breit. Das gleiche gilt im Call Center Business.
Vergütung je Vorgang = normalmaschige Steuerung: Bezahlen Sie je Vorgang, zum Beispiel je Call oder je Quadratmeter im Falle des Handwerkers, wissen Sie, worauf Sie besonders achten: die schwierigen Stellen. Diese kosten viel Zeit und können schon mal zu „kreativen“
Lösungen führen. Sie stehen nicht mehr den ganzen Tag daneben, kontrollieren aber regelmäßig zwischendurch, um tolle Fugen zu erhalten. Ganz wie im Call Center.
Vergütung je Kunde = grobmaschige Steuerung: Wer die Betreuung eines Kunden fremdvergibt und dafür eine jährliche Pauschale zahlt, weiß, strategische Themen kommen auf ihn zu. Genau wie beim Handwerker, der vielleicht versucht, beim Material zu sparen, Termine immer wieder verschiebt oder auf die Fälligkeit der Rechnung vor der eigentlichen Abnahme hinweist. Der Auftraggeber lässt seinen Dienstleister machen und kontrolliert nur mehr sporadisch, um bei der Endabnahme nicht die große Überraschung zu erleben.

Ein Normierungshandbuch schafft Klarheit zu Zielen und Qualitätsverständnis

Was erstmal nach Arbeit klingt, erleichtert Auftraggeber und Auftragnehmer beiderseits die Zusammenarbeit:
die Spezifikation der Leistungserbringung. Was macht ein gutes Gespräch aus? Dazu gehört die Sicht des Leistungsempfängers (zum Beispiel Zufriedenheit, Loyalität), die Kommunikation (Freundlichkeit, Bedarfsermittlung), die Inhalte (die Korrektheit), die Prozesse (die Einhaltung von Abläufen, der Umgang mit Systemen), natürlich die Kosten und – zu allerletzt – die bekannten quantitativen Kennzahlen. Kriterium für Kriterium gilt es, in allen möglichen Ausprägungen zu definieren und zu wichten. Daraus entsteht ein Zielsystem: die Quality Score Card (QSC) – die ultimative Auskunft über Ziele, Qualitätsverständnis und Zielerreichungsgrad. Ein Sprichwort sagt, „wer schreibt, der bleibt“. Je eine Unterschrift schützt beide Seiten und gibt Sicherheit: Was soll wie erreicht werden! Ein unterschriebenes Normierungshandbuch dokumentiert ein gemeinsames Verständnis.
Die Beschreibung der Güte sollte dabei so präzise wie nötig und so offen wie möglich gestaltet sein. Schließlich gleicht kein Kundendialog dem anderen.

Callcenter Dienstleister Steuerung: Wie wichten Sie welche Ziele? (c) by eisq

Erfolg kann man im Outsourcing nur gemeinsam haben!

Kein Dienstleister und kein Auftraggeber können alleine im Outsourcing ohne den jeweils anderen agieren. Eine gemeinsame Steuerungs- und Managementplattform hilft. Das können quartalsweise Qualitätszirkel sein.
Die Runde bilden Manager beider Seiten und ziehen ein Resümee über Erreichtes, halten Ergebnisse und Maßnahmen nach und beschließen Modifikationen.

Der Aufwand als Auftraggeber – wie viel Nähe oder welche Distanz ist wann notwendig?

Wer einen Handwerker wie einen Fliesenleger nach Stunden bezahlt, tut gut daran, danebenzustehen.

  • Wer den Handwerker nach Quadratmetern vergütet, kontrolliert die schwierigen Stellen sehr genau.
  • Wer diesen Handwerker für jeweils das komplette Zimmer eines Hauses entlohnt, weiß um die schwierigen Gespräche bezüglich Material, Terminen und Fälligkeit der Rechnung.

Beitrag wurde zuerst im Fachmagazin INTRE veröffentlicht.

Autor: 

Bernhard Gandolf, eisq

Bernhard Gandolf ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung eisq GmbH & Co. KG. Als eine von rund 280 Personen in Deutschland trägt er die international anerkannte und begehrte Auszeichnung Certified Management Consultant. Der Pionier im Beratungsgebiet Dienstleistungsmanagement/Dienstleistersteuerung veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge und Studien.

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