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Wie Werte und Handlungsmotive wirklich besprechbar werden

7. November 2022 - 19:17
Dr. Katharina Ibrahim

Autorin: Dr. Katharina Ibrahim

Dieser Artikel richtet sich an Personalverantwortliche und Führungskräfte. Sie lernen ein modernes, wissenschaftlich fundiertes Analyse-Tool kennen, das Verständigung und Selbstwirksamkeit im Arbeitskontext unterstützen kann.

Noch eine neue Typisierung?

Was denken Sie? Brauchen wir ein weiteres Tool, das uns mit bunten Farben erklärt, wer wir sind und wo wir unsere Stärken und Schwächen haben? Ganz ehrlich, ich glaube das nicht. Wer einen Nutzen darin erkennt, sich selbst und andere mit Persönlichkeitstypisierungen zu beschreiben, wird auf dem Markt der entsprechenden Analysen bestimmt fündig werden. Und dennoch will ich Ihnen hier nun gleich „etwas mit Farben“ vorstellen. Wie passt das zusammen?
In meiner Arbeit als Organisationsberaterin geht es oft darum, Menschen (wieder) ins Gespräch zu bringen, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, Hürden im Team zu überwinden. Solange wir dabei über Fakten und konkret Greifbares sprechen, helfen gute Frage- und Moderationstechniken. Doch manchmal geht es ans „Eingemachte“. Dann ist es nicht immer einfach zu verstehen, warum sich wer wie verhält und es trotz aller guten Absichten irgendwie im Miteinander klemmt. Dann braucht es keine Typisierung, sondern eine Übersetzungshilfe für innere Antriebsmuster und Widerstände. Und genau das leistet Profile Dynamics®. Das Konzept will verstehen helfen, wie genau individuelle Werte und Motive unser Verhalten und unsere Bewertung der Dinge um uns herum beeinflussen. Es liefert eben keine Diagnose, sondern ein Dialogangebot. Wenn Sie in Ihrem Arbeitsalltag viel mit anderen Menschen zu tun haben, wenn Sie Leadership-Verantwortung für den Arbeitserfolg anderer wahrnehmen, dann sollten Sie das Konzept von Profile Dynamics® kennen.
 

Ein Beispiel: Die Abteilungsleiterin und ihr Team

Lassen Sie mich das Ganze anhand eines konkreten Fallbeispiels erklären. Sie sehen hier das Profile Dynamics® Werteprofil einer Abteilungsleiterin.
 
Auch Profile Dynamics® nutzt Farben zur Visualisierung seines Modells. Das bunte und individuelle Kaleidoskop der menschlichen Werte wird in 7 Wertesysteme übersetzt. Jede dieser Wertegruppen erhält einen Farbcode. Wie man leicht erkennt, tritt jedes zweimal auf: die nach oben weisenden Balken zeigen an, welche Wertsysteme uns wie stark motivieren.  Auf die am stärksten ausgeprägten Wertesysteme stützen wir uns meistens und mit Vorliebe. Mittlere Balken deuten an, auf welche Werte wir eher funktional (bei Bedarf) zurückgreifen können und kleine, welche für uns eine eher untergeordnete Rolle spielen. Die nach unten gerichteten Balken sind Ausdruck dafür, dass wir auf übertrieben wahrgenommene Werte mit Ablehnung und Widerstand reagieren. Da wir alle Werte verfügbar haben, ist die Summe der Werteausprägungen oberhalb und unterhalb der „Null-Linie“ jeweils 100%. Damit stellt Profile Dynamics® bereits in der grafischen Darstellung auf das „Sowohl-als-auch“, auf das „einerseits und andererseits“ ab.
Wertesystem Abteilungsleiterin
 
Um noch besser zu verstehen, in welchem Umfeld wir uns besonders gut entfalten können, wird in einer zweiten Grafik eine sogenannte Energiebilanz erstellt. Positive und negative Werte werden dabei gegeneinander gerechnet. Erkennbar wird so, welches Arbeitsumfeld uns inspiriert und wo es uns schwerfällt, unsere Kompetenzen wirklich gut abzurufen. Die linke Grafik stellt die Energiebilanz unserer Abteilungsleiterin dar. In der rechten Grafik sehen Sie die gewichtet-gemittelte Energiebilanz des Teams.
Energiebilanz von Team und Abteilungsleiterin
 
Diese beiden Grafiken helfen, den Konflikt unserer neuen Abteilungsleiterin zu verstehen. Sie hatte die Verantwortung für dieses gestandene, erfahrene und etablierte Team übernommen. Schnell wurde ihr klar, dass Miteinander und Gemeinschaft für die Gruppe sehr wichtig sind (dafür steht das GRÜNE Wertesystem). Auch sie selbst sieht sich als Teamplayerin, was sich in der ebenfalls hohen Ausprägung von GRÜN erkennen lässt. Eigentlich sollten das also gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche und harmonische Zusammenarbeit sein. Gleich zu Beginn Ihrer neuen Verantwortung hatte die Abteilungsleiterin den Auftrag, ein neues IT-Tool im Team zu etablieren, welches die Arbeitsabläufe merklich verändern würde. Es war zu erwarten, dass die Kolleginnen und Kollegen wenig begeistert auf diese Neuerung reagieren würden. Also beschloss sie, sich für die Einführung Zeit zu nehmen. In einem angenehmen Rahmen wollte sie alles gut erklären, Einwände hören und alle Aspekte besprechen. Sie lud also Ihr Team zu einem gemeinsamen Mittagessen ein. Im Rahmen der geselligen Runde sprach sie die geplanten Änderungen an und lud zur Diskussion ein. Doch der schöne Plan ging irgendwie nicht auf. Die Stimmung wurde eher frostig. Auch nach der Besprechung hatte die Abteilungsleiterin immer stärker den Eindruck, dass das Team sich der Neugestaltung verwehrte. Doch warum? Sie hatte doch alles „richtig“ gemacht. Was war schief gelaufen in der Kommunikation zwischen Team und Vorgesetzter?
 
Mit Profile Dynamics® konnte der Gesprächsfaden wieder aufgenommen werden und ein Verständnis für die unterschiedlichen Bewertungen der Situation geschaffen werden. Während es im Hinblick auf das GRÜNE Wertesystem große Übereinstimmung gibt, signalisiert die recht unterschiedliche Ausprä-gung von ORANGE Unterschiede, die sich wiederum auf die Interpretation eines guten Miteinander auswirken. Für unsere Abteilungsleiterin ist das ORANGE Wertesystem sehr prägend. Es steht für Leistungsorientierung und das Bedürfnis, einen Unterschied zu machen, etwas zu erreichen. In Verbin-dung mit dem GRÜNEN WIR-Gedanken entsteht das Profil einer teamorientierten Unternehmerin, einer Mannschaftssportlerin.
 
Für das Team ist ORANGE allerdings eher kritisch belegt. Tendenziell fürchten die Menschen dieser Gruppe übertriebenen Leistungsdruck, Statusgehabe und Konkurrenzdenken mit Blick auf ORANGE. Unserem Team ist viel wichtiger, das GRÜNE WIR-Gefühl mit bewährten Regeln und Strukturen (BLAU) und einem Gefühl von Tradition und gewachsener Kultur (LILA) zu verbinden. Ein Team-Event versteht ein solches Team als Zeremonie der Gemeinsamkeit jenseits des Arbeitsalltags. Das Team erwartete mit der Einladung zum gemeinsamen Mittagessen ein Signal in diese Richtung: wir gehören zusammen und fördern das gewachsene Gemeinschaftsgefühl. Dass die Abteilungsleiterin das gemeinsame Essen mit Arbeitsthemen kombinieren wollte, empfand das Team nicht nur als störend, sondern geradezu als „Verrat“ an der gemeinsamen Zeit – und reagierte prompt mit Verweigerung.
Für die Abteilungsleiterin war ausgehend von ihrem ORANGE-GRÜNEN Wertesystem überhaupt kein Problem erkennbar. Was spricht schließlich dagegen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden? Der Blick auf die unterschiedlichen Werteprofile und Energiebilanzen konnte beiden Seiten die Quelle des Missverstehens verdeutlichen. Es wurde möglich, darüber zu sprechen, was jeder und jedem wichtig ist.
 
Hätte man das auch anders erreichen können? Bestimmt. Doch der Weg dahin wäre vermutlich länger gewesen, verbunden mit der Gefahr von Schuldzuweisungen und Verletzungen. Es ist nicht einfach, die eigenen Befindlichkeiten in Worte zu fassen. Gerade Situationen, bei denen es „eigentlich“ gar kein Problem gibt, sind dann schwer zu greifen. Ganz oft höre ich dann Verantwortliche sagen: „Das ist hier wirklich wie im Kindergarten“. Profile Dynamics® hilft bei der Übersetzung der eigenen Ansichten und Vorstellungen und erklärt „komisches“ Verhalten aus Werten und Normen.
 

Profile Dynamics® – kurz erklärt

Lassen Sie mich das Konzept von Profile Dynamics® etwas genauer darstellen. Es basiert auf den wissenschaftlichen Arbeiten von Clare W. Graves, einem amerikanischen Psychologen. Er ging schon in den 50-er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Frage nach, wie und warum sich Wertvorstellungen unterscheiden. Seine Arbeiten wurden später von unterschiedlichen Forscher- und Beraterteams aufgegriffen. Auch Profile Dynamics® stützt sich auf Graves Arbeiten und legt den Schwerpunkt auf Werte im Arbeitskontext. Mit einem zeitgemäßen technischen Aufsatz entsteht so ein hilfreiches Beratungsinstrument.
In Profile Dynamics® nutzen wir 7 Wertesysteme. Die Wertesysteme spielen für jede:n von uns eine individuelle Rolle. Wir können sie als stark motivierend erleben oder sie nur bei Bedarf  nutzen. Wenn wir sie als übertrieben erleben, löst das Widerstand aus.
Unsere Werte als handlungsleitende Vorstellungen entstehen individuell im Laufe unserer Sozialisation. Sie bestimmen, wie wir uns verhalten und wie wir die Dinge um uns herum bewerten. Daher können wir – umgekehrt – aus Verhaltensweisen Rückschlüsse auf die Bedeutung von Werten ziehen. Und genau das geschieht bei einer Profile Dynamics® Analyse. Dadurch entsteht eine Übersetzungshilfe für das eigene Wertesystem.
Beobachtbares Verhalten lässt Rückschlüsse auf Werte zu
 
In der folgenden Tabelle gebe ich Ihnen einen kurzen Überblick zu den 7 Wertesystemen:
Wertesystem - wozu es  hilfreich ist
 

Vom Nutzen der Arbeit mit Profile Dynamics®

Wann ist es nun hilfreich, mit einem Profile Dynamics® Werteprofil zu arbeiten? Ich habe in diesen Zusammenhängen gute Erfahrungen gemacht:
 
  • Mentoring und Coaching im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung
  • Abrundung von Potenzialanalysen und Verfahren zur Auswahl neuer Mitarbeitender.
  • Rollenwechsel im agilen Kontext (Führen auf Basis von persönlichen Stärken)
  • Bearbeiten von Spannungen und Konflikten in Teams
 
In all diesen Kontexten kann es mit Profile Dynamics® gelingen, mit Menschen auf eine wertschätzende Weise ins Gespräch zu kommen. Im 1:1 Coaching oder in Teamrunden erfolgt dabei eine moderierte Reflexion. Die facettenreiche Darstellung verhindert eine Typisierung (ich bin halt so) und ermöglicht es, auf andere Verhaltensoptionen des eigenen Profils zu schauen. Wenn wir unser eigenes und das Verhalten unseres Gegenübers neu verstehen, ermöglicht das auch eine andere Form der Kommunikation. Es wird einfacher, auf Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen zu verzichten. Die guten Gründe für Verhalten können benannt werden. Grauzonen und das „sowohl- als-auch“ werden sichtbar. So können Brücken zwischen scheinbar unversöhnlichen Polen gebaut werden. All das zahlt auf einen gelingenden Arbeitsalltag ein – für jede und jeden von uns und für die Organisation als Ganzes.
 
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Autor: 

Dr. Katharina Ibrahim

Seit 10 Jahren ist die Organisationsentwicklung ihr Herzensthema. Heute arbeitet sie freiberuflich und unterstützt Teams in Unternehmen dabei, einen gelingenden Unternehmensalltag zu gestalten. Ob in der individuellen Beratung, in Workshops oder in ihrer Dozententätigkeit: ihr geht es darum, etwas für eine lebenswerte Arbeitszeit beizutragen.